Die Stadt Ostfildern hat am 27.01.2022 eine Allgemeinverfügung in Kraft gesetzt. Ich hatte die Verwaltung bzw. Herr Bolay um mehr Informationen gebeten, da ich auf diese Allgemeinverfügung angesprochen wurde. Mittlerweile ist diese veröffentlicht und auf Ostfildern.de nachzulesen.  
Allgemeinverfügung (ostfildern.de)

Nachtrag vom 10.02.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin in politischer Sicht oft fundamental anderer Meinung als unser Oberbürgermeister Christof Bolay. In der Sache handle ich oft sehr hart und stehe den Handlungen unseres Oberbürgermeisters auch mehr als kritisch gegenüber. Doch so ist Demokratie, das macht unser Land, das macht unsere Stadt, das macht unsere Politik aus. Wir müssen Meinungen oder Positionen vertreten und uns dafür einsetzen.

Egal, welcher Meinung jemand ist. Egal, welche Nationalität er hat. Egal, wie weit sich die Ziele unterscheiden. Drohungen, Morddrohungen, das geht gar nicht.

Wer die Adresse von unserem Oberbürgermeister oder irgendjemanden anderen veröffentlicht und Forderungen der Gewalt stellt, der muss mit aller Härte bestraft werden. Diejenigen, die so etwas tun, müssen die volle Härte des Rechtsstaats erfahren. Solch ein Verhalten widert mich an. Solch ein Verhalten hält uns alle davon ab, hart in der Sache selbst zu sein. Diejenigen, die glauben im Schutze des Internets, rechtsfrei agieren zu können, Ihr schadet uns alle. Hört damit sofort auf!

Wir bedauern, dass der Shitstorm Grenzen überschritten hat. Klar ist, alle die öffentlich agieren müssen auch mal Shitstorm ertragen. Doch das hat Grenzen. Hier sind diese Grenzen deutlich überschritten. Wir hoffen, dass es sich wieder beruhigt und wir auf sachlicher Ebene für unsere Werte und Positionen kämpfen können. Wichtig ist auch, genau dafür ist das Demonstrationsrecht vorgesehen. Dort kann man versuchen Mehrheiten zu gewinnen oder seinen Frust darzustellen. Jeder kann somit, ohne Gewalt einzusetzen, auch Politik verändern oder beeinflussen.

Herr Oberbürgermeister Christof Bolay es wäre gut gewesen, Sie hätten die Verfügung mit dem Gemeinderat vorher abgestimmt oder uns wenigstens konkreter darüber informiert. Solch weitreichende Entscheidungen gehören vor der Veröffentlichung von verschiedenen politischen Vertretern bewertet und geprüft. Wir gehen auch davon aus, dass sie vermutlich überzeugt waren, die Verfügung würde helfen. Doch sie hat mehr Schaden angerichtet als man glauben möchte.

Wir alle müssen manchmal ertragen, dass es Demonstrationen gibt, die wir nicht wirklich sehen wollen. Insbesondere, wenn Gewalt entsteht oder wir uns in unserer Stadt nicht mehr sicher fühlen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Demonstration angemeldet ist oder nicht.

Sie wurden für die Wortwahl in der Allgemeinverfügung von allen Seiten verurteilt. Klar ist, Sie haben keinen Schießbefehl gegeben und der Absatz ist sicherlich rechtens, aber dieser Absatz war mehr als unvorteilhaft. So ehrlich müssen wir sein. Wir empfehlen diesen Satz sofort umzubenennen, in eine Version, die auch in gleich gelagerten Allgemeinverfügungen genutzt wird. Zitat: „Bei Zuwiderhandlung gegen, die in Ziffer 1 verfügten Verbote kann, unmittelbarer Zwang angewendet werden, der hiermit angedroht wird.“ Dieser Satz, diese Androhung ist wesentlich gewaltfreier als die Version, die Sie aktuell nutzen. Machen Sie das freiwillig.

Diese Verfügung ist in unseren Augen und den von Ihnen dargelegten Begründungen dennoch unverhältnismäßig.

In anderen Städten waren es mehr als 1000 Demonstranten, die sich zu den Spaziergängen trafen. Handzettel wurden verteilt und Einladungen über die sozialen Medien kursierten umfangreich. Die Pflicht einer Anmeldung und das Einsetzten einer Versammlungsleitung war in vielen Städten eindeutig und unbestritten. Die von Ihnen dargelegten Begründungen zeigen auf, dass es sich zu einer anmeldepflichtigen Demonstration hin entwickelte. Nur davon auszugehen, die Menschen wären weitestgehend ungeimpft und würden Abstände nicht einhielten, ohne die Personalien oder den Impfstatus überhaupt zu kontrollieren, ist nicht ausreichend.

Heute ist es zumindest klar. Nun ist es eine angemeldete Demonstration der Querdenker.

Herr Oberbürgermeister Bolay, in Deutschland sind ca. 20 Millionen Menschen noch nicht geimpft. Davon wären ca. 12 Millionen aktuell impfberechtigt. Diese Menschen dürfen wir nicht verurteilen, diese müssen wir überzeugen. Druck und Gewaltandrohungen sind dafür sicherlich nicht angebracht. Das Demonstrationsrecht ist ein wichtiges Gut unseres Gesellschaftssystems, darauf dürfen wir stolz sein. Dieses Recht aufgrund Vermutungen einzuschränken ist mehr als kritisch zu sehen. Grundsätzlich deswegen das Demonstrationsrecht einzuengen ist sicher der falsche Weg.

Kritisch stehen wir, wie mit einer Gruppe umgegangen wird, die unseren Weg nicht mehr gehen will. Das müssen wir in unserem System akzeptieren und respektieren. Unverhältnismäßige Handlungen helfen da wenig. Jetzt sehen wir über die Stadtgrenzen so dar, als wären wir aggressiv gegenüber Andersdenkenden „Spaziergänger“ oder sogenannte „Impfgegner“. Die umfangreiche Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger sowie positiven Taten rücken in den Hintergrund. Schlimmer, jetzt werden es mehr Gegner. Es schürt aggressives Verhalten über die Stadtgrenzen hinweg.

Die Verdrossenheit gegen die Coronaauflagen steigt stetig und wir nehmen denen, die unseren Weg nicht gehen wollen, eine Hürdenlose Möglichkeit zu demonstrieren. Indessen müssen Bürger, die den Entscheidungen der Regierung kritisch gegenüberstehen, sich an einer Gruppe beteiligen, die möglicherweise nicht Ihre eigene Meinung widerspiegelt. Dies birgt die Gefahr, dass Menschen, die Ihre Kritik äußern wollen, jetzt mit radikalen Gruppen vermischt werden. Wir sollten lieber deeskalieren und hartes handeln nur eindeutig und begründet einsetzen. Diese Verfügung war alles andere als eindeutig.

Die Stadt Ostfildern erlässt gemäß § 15 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes, § 12 Absatz 2 der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg, § 35 Satz 2 des Landesverwaltungs-verfahrensgesetzes sowie der §§ 20 und 26 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes folgende

Allgemeinverfügung: 

  1. Die Teilnahme an allen öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel auf der Gemarkung der Stadt Ostfildern, die mit generellen Aufrufen zu „Abendspaziergängen“, „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ in Zusammenhang stehen, nicht angezeigt sind und gegen die Regelungen der Corona-Verordnung gerichtet sind, wird an allen Wochentagen untersagt.
  2. Für den Fall der Nichtbeachtung des Verbots nach Ziffer 1 wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht.
  3. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung wird im besonderen öffentlichen Interesse gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Ziffer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung angeordnet.
  4. Diese Allgemeinverfügung gilt gemäß § 41 Absatz 4 des Landesverwaltungsverfahrens-gesetzes am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung als bekanntgegeben.
  5. Die Allgemeinverfügung tritt, soweit sie nicht zuvor aufgehoben wird, mit Ablauf des 28. Februar 2022 außer Kraft.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe Widerspruch bei der Stadt Ostfildern, Klosterhof 10, 73760 Ostfildern eingelegt werden.

Ostfildern, 26. Januar 2022

Christof Bolay
Oberbürgermeister

Hinweise

  • 26 Ziffer 1 des Versammlungsgesetzes: Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung oder einen Aufzug trotz vollziehbaren Verbots durchführt oder trotz Auflösung oder Unterbrechung durch die Polizei fortsetzt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
  • 29 Absatz 1 Ziffer 1 des Versammlungsgesetzes: Ordnungswidrig handelt, wer an einer öffentlichen Versammlung oder einem Aufzug teilnimmt, deren Durchführung durch ein vollziehbares Verbot untersagt ist.

Begründung

An allen Montagen seit Jahresbeginn fanden in Ostfildern in den Stadtteilen Scharnhauser Park und Parksiedlung versammlungsrechtlich nicht angemeldete „Montagsspaziergänge“ statt. Am 3. Januar 2022 nahmen etwa 20 Personen daran teil, am 10. Januar 2022 ungefähr 30 und am 17. Januar 2022 rund 100 Personen. Mund-Nase-Bedeckungen wurden von den Teilnehmern ganz überwiegend nicht getragen.

Zu den „Spaziergängen“ wird unter dem Begriff „Ostfildern Spaziert – für Demokratie, freie Impfentscheidung, Frieden und Freiheit, Kinder und Kindeskinder, gemeinsam gegen Spaltung, Achtung und Respekt“ durch Aushänge im öffentlichen Raum sowie über soziale Medien und Messengerdienste eingeladen.

Am 24. Januar 2022 versammelten sich ungefähr 140 Personen auf dem Stadthausplatz zum „Montagsspaziergang“. Durch die Versammlungsbehörde wurde den Teilnehmern mittels Lautsprecherdurchsage mitgeteilt, dass es sich um eine Versammlung im Sinne von § 14 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes handelt und sich der Versammlungsleiter mit der Versammlungsbehörde und der Polizei vor Ort in Verbindung zu setzen habe. Nachdem dies nicht erfolgte, wurden, ebenfalls per Lautsprecher, die versammlungs- und infektionsschutzrechtlichen Auflagen erteilt, Mund-Nase-Bedeckungen zu tragen, mindestens 1,50 Meter Abstand zu halten und behördliche Anweisungen zu befolgen. Die versammelten Personen „spazierten“ auf der bereits in den Wochen zuvor benutzten Route im Scharnhauser Park und in der Parksiedlung. Sie trugen – trotz zuvor ergangener Auflagen – fast ausnahmslos keine Mund-Nase-Bedeckungen und hielten durchgehend den Mindestabstand, insbesondere in engen Streckenabschnitten, nicht ein.

Rechtsgrundlage für das Verbot einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel ist § 15 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes. Danach kann das Abhalten einer öffentlichen Versammlung oder eines Aufzugs verboten werden, wenn nach den zur Zeit des Erlassens der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gehört nach ständiger Rechtsprechung der Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen wie Leben und Gesundheit. Nach § 12 Absatz 2 der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg können Versammlungen verboten werden, sofern der Schutz vor Infektionen anderweitig, insbesondere durch Auflagen, nicht erreicht werden kann.

Die oben genannten bisherigen „Spaziergänge“ waren Versammlungen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes. Versammlungen sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen mit dem Zweck der gemeinschaftlichen Erörterung und Kundgebung und dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Dies kommt durch das – in Ansammlung von rund 140 Personen – stattfindende „Spazieren“ durch verkehrsreiche Straßen und über die zentralen Plätze der Stadtteile Scharnhauser Park und Parksiedlung zum Ausdruck. Wegen der oben erwähnten Aufrufe „Ostfildern Spaziert“ kann es sich um keine Spontanversammlungen handeln und eine Anmeldung nach § 14 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes hätte somit jeweils erfolgen müssen.

Gesundheit und Leben – und somit die öffentliche Sicherheit – sind für Passanten, Radfahrer und sonstige Verkehrsteilnehmer entlang der Aufzugsstecke und auch für die Teilnehmer an den „Spaziergängen“ aus folgenden Gründen unmittelbar gefährdet:

Baden-Württemberg (Sieben-Tage-Inzidenz am 26. Januar 2022: 869,7), der Landkreis Esslingen (875,7) und insbesondere auch Ostfildern (1.033,6) sind stark von der aktuellen Omikron-Welle der Corona-Pandemie betroffen. Die täglich erhobenen Infektionszahlen steigen zurzeit stark an. Die Omikron-Variante des Corona-Virus ist laut Robert Koch Institut erheblich leichter übertragbar als die bisherigen Virusvarianten, auch im Freien. Da die Versammlungsteilnehmer durchgehend keine Mund-Nase-Bedeckungen trugen und am 24. Januar 2022 durchgehend, insbesondere in den Streckenabschnitten Brücke (nördlicher Westrandweg), Gerhart-Hauptmann-Straße und Fußweg zwischen Herzog-Philipp-Platz und Stadtbahnhaltestelle Parksiedlung den Mindestabstand von 1,50 Metern (§ 2 der Corona-Verordnung) nicht einhielten und weil davon ausgegangen werden muss, dass ein erheblicher Anteil der Teilnehmer nicht gegen das Corona-Virus geimpft ist, besteht die erhebliche Gefahr, dass sich Passanten entlang der Aufzugsstrecke und  Versammlungsteilnehmer mit dem Virus anstecken, erkranken und schlimmstenfalls versterben.

Bei dem „Spaziergang“ am 24. Januar 2022 kam es zu Behinderungen und Gefährdungen des Straßenverkehrs. Vor allem auf dem Westrandweg auf dem oben genannten Fußweg mussten rund 20 Passanten und Radfahrer auf die angrenzenden unbeleuchteten und unebenen Grünflächen ausweichen, da die Aufzugsteilnehmer die gesamte Breite der Wege in Anspruch nahmen und hier kein Durchkommen war, zumindest nicht, ohne den Mindestabstand zu unterschreiten. Beim Überqueren der Fahrbahn bei der Fußgängersignalanlage Rinnenbachstraße/Parkstraße betraten mehrere Versammlungsteilnehmer die Fahrbahn, als das Signal für Fußgänger „rot“ anzeigte und gefährdeten durch ihr Überqueren der als Landesstraße klassifizierten, stark befahrenen Rinnenbachstraße sich selbst und die anderen Verkehrsteilnehmer. Darüber hinaus wurde insbesondere im Bereich der nur 1,40 Meter breiten Gehwege in der Gerhart-Hauptmann-Straße der Straßenverkehr durch Benutzen der Fahrbahn im Rahmen des Aufzugs behindert und gefährdet. Da die Auflage zum Mindestabstand grundsätzlich nicht eingehalten wurde, muss davon ausgegangen werden, dass dies auch auf anderen Routen als der vom 24. Januar 2022, nicht nur an Engstellen, der Fall wäre.

Aufgrund der oben erwähnten Aufrufe zu „Ostfildern spaziert“ ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es an den kommenden Montagen oder auch an anderen Wochentagen zu weiteren derartigen Versammlungen in Form von Aufzügen im Scharnhauser Park und in der Parksiedlung oder auch in anderen Stadtteilen Ostfilderns kommen wird. Gleichzeitig muss aufgrund des bisher wöchentlichen Anstiegs der Teilnehmerzahlen damit gerechnet werden, dass diese auch künftig weiter steigen werden und sich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit deshalb und wegen des aktuellen Anstiegs der Infektionszahlen durch weitere derartige, nicht angemeldete Versammlungen erhöhen würde.

Durch das offensichtlich gezielte, gleichzeitige Veranstalten von Versammlungen zum Protest gegen die Corona-Schutz-Maßnahmen im gesamten Einzugsgebiet des Polizeireviers Filderstadt und darüber hinaus in ganz Baden-Württemberg – aktuell montagabends – überschreitet deren Anzahl (am 24. Januar 2022: sieben) und Größe (am 24. Januar 2022: rund 450 „Spaziergänger“) die zahlenmäßige Kapazität an Polizeibeamten, die vom Polizeirevier zur Begleitung und Sicherung dieser versammlungsrechtlichen Aufzüge eingesetzt werden kann. Somit kann die Sicherheit der Teilnehmer und des Straßenverkehrs nicht mehr in ausreichendem Maß gewährleistet werden.

Diese Gefahren können nur durch versammlungs- und infektionsschutzrechtliche Maßnahmen beseitigt werden. Die Erteilung von Auflagen (§ 15 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes und § 12 Absatz der Corona-Verordnung) würde das mildere Mittel gegenüber dem Versammlungsverbot darstellen. Diese ist zunächst nur dann möglich, wenn der Versammlungsbehörde ein Versammlungsleiter bekannt ist. Bei den bisherigen „Montagsspaziergängen“ war dies nicht der Fall. Am 24. Januar 2022 meldete sich auch nach der entsprechenden Aufforderung per Lautsprecher um 18.20 Uhr kein Versammlungsleiter. Es ist aufgrund der bisherigen Erkenntnisse davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer an den „Montagsspaziergängen“ dadurch, dass sie sich weigern, mit der Versammlungsbehörde und der Polizei zu kooperieren, der Erteilung von Auflagen entziehen wollen, da die Umsetzung Auflagen (Mund-Nase-Bedeckung – unabhängig vom Abstand – und 1,50 Meter Mindestabstand) ihrem Ansinnen, gegen die Corona-Schutz-Maßnahmen zu demonstrieren, widersprechen würde. Am 24. Januar 2022 wurde den Teilnehmern per Lautsprecher um 18.25 Uhr, 18.30 Uhr und 18.35 Uhr von der Versammlungsbehörde mitgeteilt, dass sie an einer Versammlung teilnehmen und, dass Sie die folgenden Auflagen zu befolgen haben: abstandsunabhängiges Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung und Einhalten eines Mindestabstands von 1,50 Metern. Trotz dreimaligen Durchsagens der Auflagen wurden diese weitestgehend nicht beachtet. Deshalb ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei einer weiteren derartigen Versammlung die für den Infektionsschutz wichtigen Auflagen nicht beachtet würden. Aus diesen Gründen scheidet die Erteilung von Auflagen als milderes Mittel aus und es steht nur das Verbot nach § 15 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes zur Verfügung, zumal Maßnahmen gegen einzelne Störer nicht möglich sind, da am 24.01.2022 und auch bei den Versammlungen davor von fast allen Teilnehmern Verstöße begangen wurden und hierfür dann die Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten und Mitarbeiter des städtischen Vollzugsdiensts vor Ort keinesfalls ausreichen würde.

Die Durchsetzung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit des Artikels 2 des Grundgesetzes ist hier nur durch die Einschränkung Rechte des Artikels 8 des Grundgesetzes (Versammlungsfreiheit) möglich. Wie dargestellt, reichen Auflagen nicht aus, um den Schutz der Verkehrs- und Versammlungsteilnehmer zu gewährleisten. Auf der anderen Seite kann das Grundrecht, sich zu versammeln, ohne weiteres in Anspruch genommen werden, indem ein Leiter die beabsichtigte Versammlung bei der Behörde anmeldet und die keineswegs unzumutbaren Auflagen (Mund-Nase-Bedeckung und Abstand) beachtet werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, andernorts an einer angemeldeten und somit zulässigen Versammlung zum Thema Protest gegen die Corona-Schutz-Maßnahmen teilzunehmen.

Rechtsgrundlage für die Androhung des unmittelbaren Zwangs ist § 66 Absatz 2 des Polizeigesetzes für Baden-Württemberg. Ein gemäß § 66 Absatz 4 des Polizeigesetzes in Verbindung mit § 2 Ziffer 2 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbarer Verwaltungsakt, hier in Form einer Allgemeinverfügung, liegt mit dem Verbot in Ziffer 1 vor, weil mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung unter Ziffer 3 die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt.

Um sicherzustellen, dass das Versammlungsverbot eingehalten wird, wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs, also die Einwirkung auf Personen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch angedroht. Dies ist nach Abwägung der gegenüberstehenden Interessen verhältnismäßig. Es ist erforderlich, da mildere Mittel, die die potenziellen Versammlungsteilnehmer von der Durchführung der verbotenen Versammlungen abhalten würden, nicht ersichtlich sind. Insbesondere wäre die Androhung eines Zwangsgelds nach § 23 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes nicht gleichermaßen zielführend. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs ist angemessen, da die negativen Auswirkungen für den Betroffenen nicht erkennbar außer Verhältnis zu Schutzgut körperliche Unversehrtheit der Passanten und anderen Versammlungsteilnehmer steht. Nicht verkannt wird, dass die Anordnung des unmittelbaren Zwangs einen erheblichen Eingriff in die Versammlungsfreiheit der Betroffenen darstellt. Wegen der erheblichen Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen stehen diese Nachteile jedoch nicht außer Verhältnis dazu.

Nach Abwägung aller betroffenen Interessen war die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Ziffer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung anzuordnen. Dies bedeutet, dass das Verbot in Ziffer 1 auch dann befolgt werden muss, wenn Widerspruch eingelegt wird, weil dessen aufschiebende Wirkung entfällt. Der Sofortvollzug ist im besonderen öffentlichen Interesse geboten, da das Verbot der Versammlungen dem Schutz der hochwertigen Rechtsgüter Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Passanten und Versammlungsteilnehmer dient und somit das Interesse Einzelner, derartige Versammlungen bis zur Entscheidung über einen Widerspruch vorerst ohne versammlungsrechtliche Anmeldung weiter stattfinden zu lassen, überwiegt. Der Zweck dieser Allgemeinverfügung kann nur durch die sofortige Entfaltung der Rechtswirkung erreicht werden. Ein Abwarten bis zur Bestandskraft würde den angestrebten Erfolg, die Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern und die körperliche Unversehrtheit aller betroffenen Personen zu schützen, mit Sicherheit vereiteln und kann somit nicht erwogen werden. Angesichts der massiven Rechtsverstöße in den vergangenen Wochen sowie der von diesen Versammlungen ausgehenden Infektionsgefahr und Gefährdung für Teilnehmer am Straßenverkehr kann die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs nicht hingenommen werden.

Die öffentliche Bekanntmachung dieser Allgemeinverfügung erfolgt am 27. Januar 2022. Sie tritt am 28. Januar 2022 in Kraft.

Allgemeinverfügung (ostfildern.de)


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